Aus Anlass des 80. Todestages von Friedrich Niebergall veranstaltet der Fachbereich Evangelische Theologie an der Philipps-Universität Marburg am 3. November 2012 ein Symposium mit dem Thema „Praktische Theologie als ‚Erziehungslehre’ – Friedrich Niebergall in Marburg 1922 bis 1932“
Die evangelischen Landeskirchen gehören heute zu den größten Bildungsanbietern in Deutschland. Von Kindertagesstätten und Schulen in kirchlicher Trägerschaft über Akademien und diakonische Einrichtungen bis hin zu Fachhochschulen und Universitäten wird deutlich, dass kirchliches Handeln und Bildung zusammengehören. Dabei zeigt sich heute stärker denn je, dass sich religiöse Bildung nicht auf binnenkirchliche Milieus und die ‚Tradierung des Glaubens’ beschränken kann. Die Ausdifferenzierung aller Lebensbereiche, der demographische Wandel, die knapper werdenden Finanzmittel und die mit der Globalisierung einhergehende Transformation der lokalen Religionskultur fordern heute stärker denn je dazu auf, über die Funktion und Gestaltung religiöser Bildung in einer sich pluralisierenden Gesellschaft nachzudenken.
Der evangelische Theologe Friedrich Niebergall (1866–1932) hat die Bedeutung der Religionspädagogik früher und schärfer als andere erkannt. In seinen praktisch-theologischen Schriften, die er von 1922 bis 1932 in seiner Marburger Zeit veröffentlicht hat, geht er konsequent der Frage nach, wie alle Handlungsfelder in Schule und Gemeinde unter pädagogischen Gesichtspunkten zu strukturieren bzw. zu präzisieren sind:
Religionspädagogik soll der gemeinsame Name für die Homiletik und die Katechetik, also für die Lehre von der Predigt und vom Religionsunterricht sein. Ja, er kann zugleich auch alle anderen Zweige der Praktischen Theologie mitbezeichnen. Denn es ist die Arbeit der Kirchengemeinde am besten mit dem Wort „Religiöse Erziehung durch die Gemeinde” ausgedrückt.
Niebergall, Theologie und Praxis, Göttingen 1916, 91
Niebergall, der am 20. September 1932 in Marburg verstarb, ist bereits Gegenstand zahlreicher, meist älterer Einzeluntersuchungen geworden. Wenig bekannt ist hingegen über die Umstände seiner Berufung an die Philipps-Universität, die institutionellen Rahmenbedingungen und theologischen Profile der Marburger Pfarr- und Lehramts(aus-)bildung, die theoriegeschichtlichen Kontexte seiner Religionspädagogik, Bibeldidaktik, Kirchentheorie und Apologetik, die Entwicklung seiner ‚Erziehungslehre’ (im Vergleich zu seinen von 1908 bis 1922 in Heidelberg entstandenen Arbeiten) und die Rezeption seines Denkens bis in die Gegenwart. Das Symposium zum 80. Todestag des großen Marburger Theologen wendet sich daher diesen Forschungsfragen zu.
→ Programm 3. November 2012, Alte Universität Marburg