Das Philippshaus ist durch eine Initiative aus dem Jahr 1904 entstanden. In jenem Jahr feierte die Stadt Marburg den 400. Geburtstag des Landgrafen Philipp. Aus diesem Anlass trafen sich damals zu verschiedenen Anlässen Vertreter aus der lutherischen und der reformierten Kirchengemeinde. Man wollte sich an die Offenheit des Landgrafen gegenüber den reformatorischen Bestrebungen Luthers in Wittenberg wie auch Zwinglis in Zürich erinnern. Eine Willenserklärung zur Weiterarbeit wurde dabei beschlossen mit dem Ziel, einen gemeinsamen Verein zu gründen und dafür ein Gemeindehaus zu errichten. Am 12. November 1904 lag eine Vereinssatzung vor, in der feierlich die Verpflichtung niedergeschrieben wurde, „für alle Bestrebungen evangelischer Liebestätigkeit in Marburg den Mittelpunkt zu bilden“.
Nach langen Bemühungen um Spenden konnte das Grundstück an der Universitätsstraße erworben und am 1. April 1911 der Grundstein gelegt werden. Am 16. Juni 1912 ist das Philippshaus unter großer öffentlicher Anteilnahme eingeweiht worden. Für kirchengemeindliche Zwecke, wie auch für soziale und wohltätige Veranstaltungen stand es in den folgenden Jahren zur Verfügung.
Als nach dem 2. Weltkrieg die Alliierten die Stadtsäle besetzt hielten, wurde das Philippshaus zu einem wichtigen Kulturzentrum in Marburg. Hier fanden Konzerte statt. Das Kino „Capitol“ bot seine Filmvorführungen an. Bis in die fünfziger Jahre hinein hatte das Marburger Schauspiel hier seinen Proben- und Aufführungsort.
Nach wie vor war das Philippshaus immer noch zentraler Versammlungsort für die evangelischen Kirchengemeinden. In den siebziger Jahren, als auch an anderen Stellen der Stadt immer mehr Gemeindehäuser gebaut worden waren und der Bedarf an dieser Stelle zurückging, beschloss die evangelische Kirche, die Hälfte des Hauses mit dem großen Saal für 50 Jahre an die Studentenmission Deutschland (SMD) zu verpachten. 2025 läuft der Pachtvertrag aus; über die weitere Nutzung der freiwerdenden Haushälfte ist noch nicht entschieden.
Heute ist in dem westlichen Teil eine große Kindertagesstätte und die Psychologische Beratungsstelle der evangelischen Kirche zu finden.
Veranstaltungen der Universitätskirchen- und der Pfarrkirchengemeinde wie auch des Kirchenkreises finden in den Gemeinderäumen in der 1. Etage statt. Im Erdgeschoss ist eine Hauskapelle mit einer Orgel aus der Werkstatt von Gerald Woehl und sechs Glasfenstern zu Psalmworten von Erhardt Jakobus Klonk.
Die Psalmfenster
Am 2. September 1988 übergab der Glasmaler Erhardt Jakobus Klonk an die Gemeinde in der Philippshauskapelle sechs Farbfenster, auf denen Worte aus den Psalmen dargestellt sind. Bei der festlichen Übergabe regte der Maler die Gottesdienstbesucher zur eigenen Auseinandersetzung mit den bekannten Psalmmotiven an und ermutigte zu einer eigenen Betrachtungsweise:
„Sie, die Zuschauer, müssen zu Hinschauern werden, den Farben in sich selbst Raum geben und die Linien befragen. Und dann nicht selbst Antwort geben, sondern warten, warten bis Antwort kommt.“
Wer an einem sonnigen Spätnachmittag oder einem frühen Abend am Philippshaus vorbeikommt, mag einmal in die Kapelle gehen und sich auf die Formen, Farben und Linien dieser Glasfenster einlassen. Hier lässt sich warten lernen auf das, was uns die alten Psalmworte durch neue Einsichten hindurch sagen wollen.
Fotos der Farbfenster mit Meditationstexten von Dekan Dietrich Müller und Pfarrer Joachim Teetz können im Philippshaus erworben werden.
Dietrich Hannes Eibach
Zur Entstehung des Philippshauses
Vortrag anlässlich der Einhundertjahrfeier des Gebäudes
Gehalten daselbst am 2. Juni 2012
Von Friedrich Dickmann
Im Jahre 1904 gedachte man des vierhundertsten Geburtstages Landgraf Philipps von Hessen. Der Landgraf hatte sich bei der Einführung der Reformation in Hessen für alle protestantischen Richtungen seiner Zeit offen gehalten und die Predigtstellen der Gemeinden und die Lehrstühle seiner neugegründeten Landesuniversität mit Vertretern sowohl Wittenberger, als auch Züricher und Straßburger Prägung besetzt. Das evangelische Marburg teilte sich noch nach dem Zweiten Weltkrieg in eine reformierte und eine lutherische Gemeinde. So überlegte man, ein gemeinsames Gemeindehaus mit dem Namen Philippshaus ins Leben zu berufen, da sich beide Konfessionen in Ihrer Entstehung auf den Landgrafen berufen konnten.
Am 28. Oktober 1904 konstituierte sich ein „Ausschuss Philippshaus“ dessen Mitglieder in Marburg einen klangvollen Namen hatten. Auf lutherischer Seite waren es u.a. Superintendent Happich, der Kirchenhistoriker Prof. Mirbt, Kaufmann Spoerhase, Bauunternehmer Weißhaupt und Universitätsbuchhändler Braun. Auf reformierter Seite nahmen teil: Pfarrer Dr. Scheffer von der Universitätskirche, Vizebürgermeister a.D. Sieburg, Hauptlehrer Achler von der Knaben-Bürgerschule und Regierungsbaumeister a.D. Sardemann. Man beschloss eine Satzung nach dem Vorbild des Hessischen Brüderhauses Hephata und legte für den 12. November 1904, dem Vorabend des Geburtstages von Landgraf Philipp, die Gründungsversammlung eines „Vereins Philippshaus“ fest, der auch an diesem Abend ins Leben gerufen wurde. Kernsatz der Satzung ist: „Der Verein hat den Zweck, für alle Bestrebungen evangelischer Liebestätigkeit in Marburg den Mittelpunkt zu bilden, vor allem Vereinen und Verbänden, die diesem Ziel dienen, eine Heimstätte zu bieten.“
Finanziert werden soll das Projekt Philippshaus durch Zuschüsse beider Gemeinden, durch Spenden und aus Erträgen für die Vermietung der Räume. Maximal soll der Verein aus fünfzig Mitgliedern unbescholtener Personen beider Gemeinden bestehen. Ein siebenköpfiger Verwaltungsrat leitet den Verein. Der geschäftsführende Vorstand besteht aus drei Personen, paritätisch gewählt aus der lutherischen und reformierten Gemeinde; die Vorsitzenden beider Kirchenvorstände haben sich im Vorsitz abzuwechseln. Am 7. Juni 1905 wurde der Verein Philippshaus in das Vereinsregister des Königlichen Amtsgerichtes zu Marburg eingetragen und am 23. November fand die erste Sitzung des Verwaltungsrates statt.
In dieser Sitzung ging es vor allem darum, ein geeignetes Gebäude für das geplante Gemeindehaus zu finden. Regierungsbaumeister Sardemann wusste zu berichten, dass das Physikalische Institut im Dörnberger Hof am Renthof demnächst frei würde, da auf dem gegenüberliegenden Gelände des abgerissenen Renthofes ein neues Institut erbaut werden soll. Der Physiker Prof. Richarz betreibe mit Nachdruck den Plan des Neubaus und setze sich wärmstens für den Verkauf des alten Institutsgebäudes ein. Der Verwaltungsrat beauftragte Pfarrer Scheffer, sich diesbezüglich mit dem Preußischen Kultusministerium in Verbindung zu setzen.
Wenige Wochen später teilte Sardemann mit, Preußen fordere für das Anwesen des Dörnberger Hofes 70 bis 85.000 Goldmark. Da dies Geld noch nicht vorhanden ist, sind Mitglieder des Vorstandes und Verwaltungsrates bereit, für diese Summe persönlich zu bürgen, so etwa der Bauunternehmer Weißhaupt oder Kaufmann Spoerhase, der auf der Neustatt ein großes Textilgeschäft betrieb. Am 5. Februar 1907 teilte Sardemann dem Verwaltungsrat mit, dass der Preußische Staat dem Vorhaben Philippshaus wohlwollend gegenübersteht und den Dörnberger Hof für 65.000 Goldmark hergeben will.
Ausführlich besichtigte der Verwaltungsrat das Gebäude und dachte über seine Nutzung nach. Man hatte hochfliegende Pläne mit dem großräumig angelegten Gebäude. Man dachte im Zusammenhang mit dem St.-Elisabeth-Verein an die Einrichtung eines Wohnheims für stellenlose Mädchen, an eine Kinderklinik für Kinder mittelloser Familien, verbunden mit einer Ausbildungsstätte für Kinderschwestern, alles betreut von dem Kasseler Diakonissenhaus. Auch die Einrichtung eines Heims für rachitische Kinder wurde erwogen und sogar die Einrichtung eines eigenen Diakonissen-Mutterhauses.
Aber der Preußische Staat hielt den Verein Philippshaus hin. Schließlich ließ er im Jahre 1909 wissen, dass das geplante Physikalische Institut erst in den Jahren 1913–1915 gebaut wird. Damit erloschen alle schönen Pläne des Vereins. Die lange Wartezeit, in der nichts geschah, hat dem Verein sehr geschadet. In der Verwaltungsratssitzung am 28. September 1909 musste Pfarrer Scheffer mitteilen, dass der Verein offenbar völlig nutzlos sei. Alle Werbung für den Verein sei bis jetzt vergeblich. Man habe noch nicht einmal die satzungsgemäß vorgeschriebene Mindestzahl von 18 Mitgliedern erreicht. Man wusste: Zur wirksamen Mitgliederwerbung gehört zumindest ein Grundstück auf dem der geplante Bau errichtet werden soll.
Bauunternehmer Weißhaupt, der auf dem Gelände des ehemaligen Deutschordensgutes das Biegenviertel errichtete, schlug ein Grundstück in der Heusingerstraße vor. Doch das Projekt scheiterte an den Schwierigkeiten der Kanalisationsanlage. In Frage kam auch das Anwesen des Oberlehrers am städtischen Realgymnasium Hölzerkopf. Es befand sich auf dem Gelände des Kunstinstituts und Museums an der Biegenstraße, bestehend aus einem geräumigen Haus und einem großen Schuppen. Doch die Stadt machte für die Universität ihr Vorkaufsrecht geltend, weil schon damals auf diesem Gelände das Museum geplant war.
Im Spätsommer 1909 bot sich die Gelegenheit, das Flurstück „Im großen Kitzfeld“ zwischen Haspel- und Bismarckstraße zu erwerben. Es gehörte dem Bauunternehmer Ziggel. Die Baufirma Reising & Ziggel war bereit, das Grundstück für 25.000 Goldmark zu verkaufen, wenn sie auch den Bauauftrag für das Haus erhält. Zimmermeister Block in der benachbarten Bismarckstraße lässt den Kanalisationsgraben für das Philippshaus über sein Grundstück führen, erhofft sich für diese Gefälligkeit aber, die Zimmerarbeiten für den Bau zu erhalten.
Nun, da das Grundstück vorhanden war, konnte man für die Finanzierung des Baus werben. Prof. Mirbt verhandelte mit den lutherischen und reformierten Presbyterien. Die lutherische Gemeinde erklärt sich bereit, jährlich 1.000 Goldmark und die reformierte jährlich 900 Goldmark zu geben. Der Landesverband für Innere Mission gibt 10 Jahre lang 500 Mark, und auch die Landeskirche stellte eine namhafte Summe in Aussicht.
Im November 1909 erfolgt ein großer Spendenaufruf für das Philippshaus. Es konnten Anteilscheine von 100 bis 1.000 Mark erworben werden, die der Verein 1917 wieder einlösen will. Benefizkonzerte für das Philippshaus einheimischer und auswärtiger Chöre und Orchester fanden statt und auch ein großes Konzert von Universitätsmusikdirektor Jenner. Die Gemeindepfarrer beider Konfessionen verpflichten sich für jährlich 200 Gemeindebesucher zu Gunsten des Philippshauses zu sorgen; macht bei fünf Gemeindepfarrern in Marburg tausend Besuche. Auch die Damen der Marburger Gesellschaft führten in ihren Bekanntenkreisen derartige Besuche sehr erfolgreich durch.
Das nötige Geld kam zusammen. Im November 1910 erhält Baudirektor Sardemann den Auftrag, einen Baubedarfsplan zu erstellen. Das Philippshaus soll einen großen Theatersaal mit entsprechender Gastronomie erhalten, Räume für Gruppen und Vereine sowie eine Heimstätte für junge Angestellte, Arbeiterinnen ohne Familienanschluss und Studentinnen. Wohnungen sollen eingerichtet werden für alleinstehende alte Damen und ein christliches Hospiz. Wichtig war auch die Gottesdienststätte für Gemeindeglieder, die den Schlossberg nicht mehr ersteigen konnten. Das ganze Haus sollte nach neuster Technik mit Dampf beheizt und mit Gas und Strom beleuchtet werden. Am 7. Mai billigt der Verwaltungsrat den Baubedarfsplan und fordert zum Architektenwettbewerb auf. Den Zuschlag erhielten die Architekten Eichelberg & Dauer, die auch ein Modell des Hauses erstellten. Am 1. April 1911 erfolgte die Grundsteinlegung.
Reising & Ziggel leisteten die Maurerarbeiten, die Zimmerarbeiten erledigt Nachbar Block aus der Bismarckstraße, die Dächer deckte Dachdecker Nikolaus Schuchardt aus Weidenhausen und für die Verglasung sorgte die Firma Bamberger vom Schuhmarkt. An der Inneneinrichtung des Hauses beteiligten sich beinahe alle Marburger Firmen. Die Apotheker Strippel aus der Ockershäuser Allee und Schollmeyer von der Schwanapotheke stiften das große landgräfliche Wappen über dem Haupteingang des Philippshauses, das von Bildhauer Paffrat angefertigt wurde. Die Putten über den Haupteingängen und die Jugendstilköpfe über den Fenstern des Unterstockes stammen aus Gemeindespenden.
Am Samstag, den 16. Juni 1912 konnte das Haus feierlich eingeweiht werden.
Quellen: Protokollbücher des „Vereins Philippshaus“ 1904–1912
→ Festempfang 100 Jahre Philippshaus
→ Die Weite und Gastfreundschaft der Kirche