Stellungnahme des Rates der EKD zur Situation von Flüchtlingen

ekd_logoJesus Chris­tus spricht:
Du sollst den Herrn, dei­nen Gott, lie­ben von gan­zem Her­zen, von gan­zer See­le und von gan­zem Gemüt. Dies ist das höchs­te und größ­te Gebot. Das ande­re aber ist dem gleich: Du sollst dei­nen Nächs­ten lie­ben wie dich selbst.“
(Mat­thä­us 22,37–39)

Für die Auf­nah­me der Flücht­lin­ge in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land enga­gie­ren sich zahl­lo­se ehren­amt­lich und beruf­lich Täti­ge. Der Rat der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (EKD) dankt ihnen und allen, die seit Mona­ten dazu bei­tra­gen, unse­rer Gesell­schaft ein men­schen­freund­li­ches Gesicht zu geben.

Zugleich zeich­net sich ab, dass die Auf­ga­ben, die sich durch die zu uns kom­men­den Schutz­su­chen­den stel­len, nicht in kur­zer Zeit erle­digt sein wer­den. Wir müs­sen uns der Tat­sa­che stel­len, dass wir Geduld und einen lan­gen Atem benö­ti­gen und dass vie­le Men­schen Sor­gen vor der Zukunft haben. Die Auf­ga­be wird zu bewäl­ti­gen sein, wenn die Sta­bi­li­tät der staat­li­chen Struk­tu­ren und das Gewalt­mo­no­pol des Staa­tes gestützt und die erfor­der­li­chen Mit­tel bereit­ge­stellt werden.

Die enor­men Anstren­gun­gen bei der Auf­nah­me von Flücht­lin­gen, die bereits geleis­tet wur­den, sind Aus­druck einer Gesell­schaft, deren Wer­te in ihren Wur­zeln tief in der christ­li­chen Tra­di­ti­on ver­an­kert sind. Der Satz Jesu „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Men­schen tun, das tut ihnen auch“ (Mat­thä­us 7,12) aus der Berg­pre­digt for­mu­liert einen Grund­satz der Empa­thie, der weit über die christ­li­che Tra­di­ti­on hin­aus aner­kannt wird. Empa­thie darf nicht unter dem Ein­druck einer belas­ten­den Situa­ti­on zur Dis­po­si­ti­on gestellt wer­den. Geben wir die Empa­thie auf, geben wir die Mensch­lich­keit auf.

Der Gerech­tig­keit Frucht wird Frie­de sein.“ (Jesa­ja 32,17) Auf die­se Ver­hei­ßung ver­traut der Rat und tritt für eine offe­ne Gesell­schaft ein und betont den Wert des Grund­ge­set­zes mit sei­nen Prin­zi­pi­en der Men­schen­wür­de, der Frei­heit und des Rechts. Gemein­sam mit den ande­ren Staa­ten in Euro­pa und dar­über hin­aus sind auch das huma­ni­tä­re Völ­ker­recht und die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on zu bewah­ren und durchzusetzen.

Die EKD for­dert eine euro­päi­sche Lösung. Sie trägt hier­zu durch ihre Kon­tak­te zu den ande­ren Kir­chen Euro­pas bei. Mensch­lich­keit kann nur gemein­sam gedacht wer­den und gelin­gen. Chan­cen und Las­ten der Auf­nah­me von Schutz­su­chen­den müs­sen gemein­sam getra­gen werden.

Die EKD wen­det sich gegen die Vor­stel­lung einer Abschot­tung Euro­pas. Wir wür­den unse­re eige­nen Wer­te ver­ra­ten, wenn wir einen sol­chen Weg gin­gen. Unser Ver­ant­wor­tungs­ho­ri­zont endet nicht an den eige­nen Grenzen.

Lösungs­we­ge sind die Besei­ti­gung der Flucht­ur­sa­chen, die zuge­sag­te Unter­stüt­zung der Nach­bar­län­der in Kri­sen­re­gio­nen, die Ver­bes­se­rung der Bedin­gun­gen in den Flücht­lings­la­gern und geord­ne­te Aufnahmeverfahren.

Selbst wenn es gelingt, die Flucht­ur­sa­chen lang­fris­tig zu behe­ben und sogar kurz­fris­tig vie­len Flücht­lin­gen wie­der eine Per­spek­ti­ve in ihrer Hei­mat zu ver­schaf­fen, wer­den vie­le der zu uns Gekom­me­nen bleiben.

Das stellt uns vor die gro­ße Her­aus­for­de­rung, Men­schen aus ande­ren Kul­tu­ren, Reli­gio­nen und mit einem ande­rem Ver­ständ­nis von Gesell­schaft bei uns zu inte­grie­ren. Die­se Her­aus­for­de­rung ver­un­si­chert vie­le Men­schen. Ent­schei­dend ist, die Kon­trol­le über die Durch­set­zung des Rechts und der Wer­te des Grund­ge­set­zes zu bewah­ren. Jede Bür­ge­rin und jeder Bür­ger unse­res Lan­des muss sich über­all sicher füh­len können.

In den Auf­nah­me-Ein­rich­tun­gen für Flücht­lin­ge müs­sen die aner­kann­ten huma­ni­tä­ren Stan­dards gel­ten. Dem beson­de­ren Schutz­be­dürf­nis von Frau­en und Kin­dern vor jeder Form von Gewalt, auch sexua­li­sier­ter Gewalt, ist Rech­nung zu tra­gen. Das­sel­be gilt für Min­der­hei­ten. Mit Sor­ge sieht die EKD auch auf die Fäl­le von Bedro­hung von Chris­tin­nen und Chris­ten in den Flüchtlingsunterkünften.

Inte­gra­ti­on bedeu­tet die Aner­ken­nung des Rechts und der Grund­wer­te unse­res Lan­des, aber auch die Aner­ken­nung unse­res Ver­ständ­nis­ses von einer offe­nen Gesell­schaft, der Reli­gi­ons­frei­heit und der Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern. Wir ver­ur­tei­len alle Anschlä­ge auf Flücht­lin­ge und ihre Hel­fe­rin­nen und Helfer.

Inte­gra­ti­on gelingt vor allem über die rasche Ein­glie­de­rung in das Bil­dungs­we­sen, den Arbeits- und Woh­nungs­markt. Auch der Fami­li­en­nach­zug för­dert die Inte­gra­ti­on. In den Kin­der­ta­ges­stät­ten, Schu­len und am Arbeits­platz, aber auch in den All­tags­räu­men muss über Sor­gen und Ängs­te einer­seits und über Recht und Wer­te ande­rer­seits gere­det werden.

Die Inte­gra­ti­on darf kei­ne Ver­lie­rer her­vor­brin­gen, weder unter den Flücht­lin­gen noch unter der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung. Des­halb sind für das Bil­dungs­we­sen, den Woh­nungs- und den Arbeits­markt aus­rei­chen­de Res­sour­cen für alle zu schaffen.

Zwei­fel­los ist die Situa­ti­on in Deutsch­land und in Euro­pa ernst. Es wäre aber schäd­lich, sie schlech­ter und insta­bi­ler zu reden, als sie ist. Die Sta­bi­li­tät der staat­li­chen Insti­tu­tio­nen ist hoch. Eben­so hoch ist in der Bevöl­ke­rung die Bereit­schaft, sich den Her­aus­for­de­run­gen zu stel­len und sich auch per­sön­lich zu enga­gie­ren. Die Evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land wird alles in ihren Kräf­ten Ste­hen­de tun, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Sie dankt allen und ermu­tigt alle, die dazu beitragen.

Hannover/Breklum, den 22. Janu­ar 2016
pressestelle@ekd.de | www.ekd.de

 

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