Rückblick auf den Friedensweg der Religionen 2010

Kein Frie­de zwi­schen den Natio­nen ohne Frie­de zwi­schen den Reli­gio­nen!“, schrieb der katho­li­sche Theo­lo­ge Hans Küng. Wo sonst als in Mar­burg leben Men­schen so vie­ler Natio­nen und Reli­gio­nen in einer so klei­nen Stadt zusam­men? War­um also soll­te man der welt­um­span­nen­den Visi­on vom Frie­den zwi­schen den Reli­gio­nen nicht aus­ge­rech­net im Mikro­kos­mos der Stadt Mar­burg näher kom­men kön­nen? So ent­stand am Mar­bur­ger „Run­den Tisch der Reli­gio­nen“ die Idee zu einem Frie­dens­weg durch die Stadt.

Wir Juden, Chris­ten, Mus­li­me, Bud­dhis­ten und Bahá­’í tra­fen uns am 25. Sep­tem­ber in der Moschee am Mar­ba­cher Weg. Nach­dem wir unse­re Schu­he am Ein­gang aus­ge­zo­gen hat­ten, beka­men wir dicht gedrängt auf dem Fuß­bo­den sit­zend einen Ein­druck davon, wie eng es in der ehe­ma­li­gen Vier-Zim­mer-Woh­nung ist, wenn sich hier Men­schen aus 40 Natio­nen zum Frei­tags­ge­bet ver­sam­meln. Des­halb auch plant die isla­mi­sche Gemein­de einen grö­ße­ren und reprä­sen­ta­ti­ve­ren Moschee-Neu­bau bei St. Jost. Gepre­digt wird übri­gens in Deutsch, weil dies die ein­zi­ge Spra­che ist, die alle Mar­bur­ger Mus­li­me verstehen.

Mit etwa 70 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern zogen wir auf unse­rem Frie­dens­weg hin­auf in die Ober­stadt zum Rat­haus, wo sich die Gemein­schaft der Bahá­’í vor­stell­te, der jüngs­ten Offen­ba­rungs­re­li­gi­on. Ihr Grün­der war im 19. Jahr­hun­dert der Per­ser Bahá­’u’l­láh, des­sen Schrif­ten die Bahá­’í am höchs­ten schät­zen. Sie fin­den die Wahr­heit aber auch in den ande­ren Hoch­re­li­gio­nen, so dass sie bei ihren Zusam­men­künf­ten auch Tex­te aus der Bibel, dem Koran und bud­dhis­ti­schen Schrif­ten lesen.

In der Uni­ver­si­täts­kir­che, nur einen kur­zen Fuß­weg vom Rat­haus ent­fernt, erhiel­ten wir eine Ein­füh­rung in die lan­ge christ­li­che, über­kon­fes­sio­nel­le Geschich­te der Kir­che, deren Bau Ende des 13. Jahr­hun­derts begon­nen wur­de. Nach dem gemein­sam gesun­ge­nen Lied „Dona nobis pacem“ („Gib uns den Frie­den“) und einer Medi­ta­ti­on von Prof. Hans-Mar­tin Barth über das wich­tigs­te Gebet der Chris­ten­heit, dem ursprüng­lich jüdi­schen „Vater unser“, stärk­ten wir uns mit Was­ser, Saft, Brot und ande­rem Gebäck für unse­ren wei­te­ren Weg durch die Stadt.

Es ging wei­ter über die Lahn nach Wei­den­hau­sen ins Shamb­ha­la-Zen­trum. Hier wer­den ver­schie­de­ne tibe­ti­sche, aber auch japa­ni­sche bud­dhis­ti­sche Tra­di­tio­nen gepflegt. Lei­ter der welt­wei­ten, etwa 30.000 Anhän­ger zäh­len­den Gemein­schaft der Shamb­ha­la-Bud­dhis­ten ist der Inder Sakyong Mipham Rin­po­che. Auf beson­de­ren Kis­sen oder auf Stüh­len sit­zend rezi­tier­ten wir zu Trom­mel­schlä­gen ein Sutra in deut­scher Spra­che, die täg­li­che Übung der Mar­bur­ger Shambhala-Buddhisten.

Zum Abschluss unse­res Frie­dens­we­ges zogen wir zur Syn­ago­ge im Süd­vier­tel. In dem gro­ßen, hel­len und sehr kunst­voll aus­ge­stal­te­tem Ver­samm­lungs­raum lausch­ten wir bibli­schen Tex­ten und Gesän­gen in hebräi­scher Spra­che und erfuh­ren viel über das Mar­bur­ger Juden­tum. Die Gemein­de hat etwa 350 Mit­glie­der, betreut aber ins­ge­samt über 500 Men­schen, zumeist aus den Län­dern der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on. Da die Juden zur Zeit Suk­kot, das Laub­hüt­ten­fest fei­er­ten, fand der drei­ein­halb-stün­di­ge Frie­dens­weg sei­nen Abschluss bei fröh­li­chem Zusam­men­sein in der Laub­hüt­te auf dem Hof der Synagoge.

Mit Freu­de und Stolz kön­nen wir behaup­ten, dass wir der welt­um­span­nen­den Visi­on vom Frie­den der Reli­gio­nen und Natio­nen ein Stück näher gekom­men sind. Sie fängt mit guter Nach­bar­schaft vor unse­rer Haus­tür in Mar­burg an.

Jörg Rust­mei­er

→ Ori­ent­brü­cke Mar­burg e.V. – Isla­mi­sche Gemein­de
→ Die Bahá­’í Gemein­de Mar­burg
→ Shamb­ha­la Mar­burg (Bud­dhis­ti­sches Zen­trum)
→ Jüdi­sche Gemein­de Marburg

 

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