Leben aus deiner Hand“

Gedanken zum Sonntag Septuagesimae

Wozu beten? Damit uns nichts selbst­ver­ständ­lich wird. Selbst­ver­ständ­lich ist nur das Nichts.“ So schreibt Kurt Mar­ti im hohen Alter. Einer, der weiß, wovon er spricht. Er hat sei­ne gelieb­te Lebens­part­ne­rin ver­lo­ren. Er nimmt den Abbau sei­ner geis­ti­gen und kör­per­li­chen Kräf­te wahr. Er kennt den bit­te­ren Gedan­ken, dass in die­ser Welt für ihn nichts mehr bleibt, was noch lohnt zu bleiben.

Doch mit­ten in der Nacht ent­steht die Sehn­sucht nach den ers­ten Anzei­chen der Mor­gen­rö­te. Hil­de Domin ermu­tigt: „Nicht müde wer­den, son­dern dem Wun­der lei­se wie einem Vogel die Hand hinhalten.“

Die Baum­knos­pe am kah­len Ast, die her­vor­bre­chen­den Licht­strah­len hin­ter den dunk­len Wol­ken, das Lächeln in einem frem­den Gesicht. Selbst­ver­ständ­lich ist das nicht. Die war­me Berüh­rung von einer Hand, die dir auf­hilft. Das fri­sche Brot, das dir jemand reicht. Ein Leben im Dia­log mit dem Leben, das dich umgibt.

Beten muss ich nicht ler­nen. Ich schlie­ße mei­ne Augen, fal­te mei­ne Hän­de oder stre­cke sie in den Him­mel. Ich hal­te inne oder gehe durch eine Land­schaft. Ich sin­ge oder wer­de still und tre­te ein in einen Raum, der mir näher ist, als ich mir selbst jemals kom­men kann.

Manch­mal for­mu­lie­re ich in Wor­ten, was mich bewegt. Das kann ein ein­fa­cher Ruf sein: Hilf mir! Oder: Wie lan­ge noch? Oft­mals bit­te ich: Steh mei­nem Nächs­ten bei, sel­te­ner: Sei auch bei dem, der mir fer­ne rückt. Hin und wie­der dan­ke ich für einen beson­de­ren Augenblick.

Beten kann so ein­fach sein und fällt doch zeit­wei­se so schwer. Wer nimmt wahr, was mich bewegt? Wird mein Anlie­gen über­haupt gehört? Fra­gen, die oft ohne Ant­wort bleiben.

Beten ist nicht selbst­ver­ständ­lich. Dar­um frag­ten die Jün­ger ihren Meis­ter: Was sol­len wir beten? Jesus ant­wor­te­te: „Wenn ihr betet, dann sprecht: Vater unser im Him­mel…“ Sei­ne Wor­te ver­bin­den Chris­tin­nen und Chris­ten über Zei­ten und Räu­me hin­weg. Ich bin nicht mehr allei­ne und darf mich mit ande­ren Men­schen zu Gott hin­wen­den so wie ein Kind bei der Mut­ter oder dem Vater Zuflucht sucht. Durch das Gebet Jesu kön­nen wir gemein­sam für das Wich­tigs­te in unse­rem Leben bit­ten. In der Mit­te steht das täg­li­che Brot. Um Zuwen­dung in direk­ter und umfas­sen­der Wei­se geht es dabei. Um ein Leben, das von dem ers­ten bis zum letz­ten Atem­zug auch so genannt wer­den kann. Hin­ter dem täg­li­chen Brot ste­cken Mühe und Arbeit und eine unfass­ba­re Güte. Karl-Hein­rich Bie­ritz sagt in einem Gedicht: „gnä­dig bist du dem acker/ wirfst ihn um/ schol­le für scholle/ trittst ihn mit füßen/ gnä­dig bist du dem samen/ mit vol­len händen/ gibst du ihn fort/ läßt ihn der erde/ der son­ne dem regen/ gnä­dig bist du der ernte/ beugst dich über die halme/ nimmst sie mit schar­fem schnitt/ raffst sie zusammen/ trägst sie davon/ schlägst sie und schlägst sie/ zum brot ja gnä­dig bist du uns allen.“

Ein merk­wür­di­ges Bild: unser Leben wie ein Acker, der da liegt und auf­ge­bro­chen, umge­pflügt, getre­ten wird. Dann wird der Samen aus­ge­sät und der Son­ne, dem Regen und dem Wind über­las­sen. Es braucht Zeit und Geduld, bis der Halm, schließ­lich die Ähre wächst, die spä­ter mit schar­fem Schnitt geern­tet und unter Schlä­gen zu Mehl ver­ar­bei­tet wird. Und erst unter der Hit­ze des Feu­ers ent­steht das Brot, das satt macht.

So wie das Brot erst durch den Pro­zess zu dem wird, was es ist, so ist es auch mit uns selbst.

Ein hoher und groß­zü­gi­ger Ein­satz steckt dahin­ter. Mit Freu­den und Ban­gen ist er ver­bun­den, mit Lust und Leid, mit tat­kräf­ti­gem Han­deln und gedul­di­gem War­ten. Das wird nie­mals selbst­ver­ständ­lich sein. Genau so wenig wie der Frei­raum, die eige­ne Schuld zu benen­nen und die Chan­ce, ein­an­der zu ver­ge­ben und einen Neu­an­fang zu wagen.

Bei dir sind all unse­re Tage gezählt. Das Gesche­he­ne kommt noch ein­mal in Erin­ne­rung. Was mit uns wird, steht noch dahin.

Diet­rich Han­nes Eibach

 

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