
Gedanken zum Wochenspruch nach dem Sonntag Okuli 2011
Wer sind die fünfzig Techniker, die im Atomkraftwerk von Fukushima trotz der massiven Verstrahlung ihre Bemühungen fortgesetzt haben, um die Reaktoren vielleicht doch noch vor einer Kernschmelze zu bewahren? In den Tagen der Angst hat sich die Hoffnung ihres Volkes, wenn nicht der ganzen Welt auf sie konzentriert.
„Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte an dem Ort sein…“ (1. Mose 18,16 f.). Mit diesem Argument hatte Abraham angefangen, mit Gott zu verhandeln, um die drohende Vernichtung abzuwenden.
Auch Abraham hörte aufmerksam zu, als ihn die bevorstehenden Katastrophenmeldungen erreichten. Er hat seinen Kopf nicht in den Sand gesteckt und ist trotzdem nicht in Panik geraten. Er ließ sich nicht von seiner Angst lähmen und ist auch nicht vor dem Geschehen davongelaufen. Er hat seinen Handlungsspielraum genutzt, solange er konnte.
„Angst ist selbstbezogen. Wenn ich Angst habe, kann ich nicht für die anderen da sein“, sagte mir ein ehemaliger Bergmann in diesen Tagen. Mehrmals auf seinem Lebensweg ist er mit den ihm anvertrauten Menschen in Todesgefahr geraten. Es war ein tiefes Vertrauen, das er plötzlich gespürt und das ihn immer wieder aus der Enge herausgeführt hat.
Angst kann uns nur vor Gefahren warnen. Wenn der Unfall geschehen ist, kann sie uns nicht mehr helfen. Was kann uns nun weiterführen? Ein realistischer Blick und ein angemessenes Handeln.
Auch im Evangelium geht es um diesen Blick und dieses Handeln, doch nun weniger in apokalyptischer und mehr in einer messianischen Perspektive wie zum Beispiel in Lukas 9, 62: „Jesus sagt: ‚Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes‘“. Solche Worte dulden keinen Widerspruch. Und doch halten wir öfter inne, um uns einen Überblick zu verschaffen. Der Blick zurück in die Vergangenheit hilft für das Verständnis der Gegenwart. Wer „Rücksicht“ nimmt, entwickelt auch eine Perspektive dafür, wohin der Weg in Zukunft führen kann.
Manchmal aber ist ein Zögern schädlich. Wer die Hand an den Pflug legt, konzentriert sich auf das Ziel und geht bewusst vorwärts. Sonst gerät der Pflug aus seiner Bahn und fängt an zu schlingern. Beim Pflügen wird die brach liegende Erde aufgebrochen. Der vom Winter hart gewordene Boden lockert auf und wird neu belebt. Was unten war, kehrt nach oben und die Nährstoffe verteilen sich. So wird der Boden vorbereitet, um die Saat aufzunehmen. Nur wer beim Pflügen in der Furche bleibt, kann danach die Frucht gleichmäßig aussäen und später reichlich ernten.
Jesus benutzt das Bild vom Pflügen als ein Gleichnis für die Schöpfungskraft des Lebens und für unsere Möglichkeiten, daran mitzuarbeiten. Darin ist ein erfolgreicher Aufbruch nur möglich, wenn ich nicht eine falsche „Rück-Sichtnahme“ vorschiebe, sondern auf das Notwendige schaue, was vor uns liegt und jetzt getan werden muss. Nur so bleibe ich im Rhythmus und auf dem Weg des Lebens.
Und das ist entscheidend. Dann erst kommt in den Blick, was die anderen machen und was um uns herum geschieht.
Hannes Eibach