Zum Sonntag Judika und der nächsten Woche bieten wir eine Andacht mit Orgelmusik an! Abrufbar auch über direkten Link oder QR-Code.
Aktuell: Denkanstöße
Für die Karwoche, der Woche vor Ostern haben wir eine neue Andacht mit Orgelmusik ins Netz gestellt. Sie ist auch über direkten Link oder QR-Code erreichbar.
und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn! Am Erntedankfest ist die Kirche festlich geschmückt mit Obst und Gemüse, mit Kornähren und Sonnenblumen. Traditionell steht der Dank für die Ernte im Mittelpunkt – und dazu Dank für alles, was gelungen ist. Das Erntedankfest erinnert daran: Was wirklich wichtig ist im Leben, können wir nur empfangen.
(Foto: Erntedankfest in St. Jost / Jörg Rustmeier)
ich vertraue auf die Güte Gottes immer und ewig.
Kurt Reuber, der sie gemalt hat, ist vor 75 Jahren in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gestorben. Wir wollen an Kurt Reuber im Sonntagsgottesdienst am 31. März 2019 denken und dabei auch für den Frieden in der Welt beten. Die Schola der Universitätskirche singt Gesänge aus der orthodoxen Liturgie.
Kurt Reuber (1906-
Kaum einer weiß, dass Kurt Reuber wesentlich geprägt war durch seine Zeit in Marburg, wo er von 1931 bis 1933 als Vikar von Pfarrer Karl Bernhard Ritter an der Universitätskirche arbeitete. Mit Ritter und der Evangelischen Michaelsbruderschaft war Reuber bis zum Ende seines Lebens eng verbunden. Er versuchte in einer Welt der Gewalt und des Unrechts Mitmenschlichkeit zu leben. Darum sei an ihn erinnert mit dem Wort der Jahreslosung 2019: „Suche Frieden und jage ihm nach.” (Psalm 34,15)
Literatur:
(Fotos: Stalingrad-Madonna im Bunker und Reuber zeichnend, Kruse 2012, S. 88 bzw. S. 83)
Ikone Heiliger Lukas (Sviatoslav Vladyka, 2013)
In der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien werden vom 6. März (Aschermittwoch) bis zum 10. April 2019 zeitgenössische Ikonen aus der orthodoxen Tradition zu sehen sein. Es handelt sich um Werke von jungen Künstlern aus der Ukraine, aus Polen, Weißrussland, Rumänien und Georgien.
Als Einführung gehen wir im Folgenden der grundsätzlichen Frage nach, ob es so etwas überhaupt gibt oder geben kann: eine orthodoxe Ikone in einer evangelischen Kirche?
Historisch lässt sich die Frage leicht mit einem Ausflug nach Franken beantworten: In der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche des Dorfs Kalbensteinberg, 40 km südwestlich von Nürnberg, befindet sich seit alters eine russische Ikone. Sie zeigt den Hl. Theodor Stratilates, einen sog. ‚Soldatenheiligen‘, also einen Soldaten des römischen Heeres, der in der Frühzeit des Christentums das Martyrium erlitten hat.
Der Tradition entsprechend erscheint im Hauptfeld der Ikone der Heilige, als Soldat in voller Waffenrüstung. Zwölf rahmende kleine Bilder stellen Szenen aus seinem Leben und seinem Martyrium vor Augen. Die Ikone dürfte aus der Pskover Malschule stammen und gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstanden sein. Wahrscheinlich hat sie ein Nürnberger Patrizier im 17. Jahrhundert von einer Geschäftsreise nach Russland mit nach Hause gebracht und der Kalbensteinberger Kirche geschenkt.
Als Kuriosum ist diese Ikone schon lange bekannt. Johann Alexander Döderlein (1675–1745), Gymnasialrektor in der benachbarten Reichsstadt Weißenburg, veröffentlichte 1724 eine Schrift mit dem Titel: „Slavonisch-Russisches Heiligthum mitten in Teutschland“. Darin findet sich eine detaillierte Darstellung der Ikone, einer „von allerhand bunten Farben auch weitläufftigen Beyschrifften gezierten Tafel“. Das Buch ist eines der ersten Zeugnisse für die Beschäftigung eines deutschen Protestanten mit der russischen Ikonographie. Zugleich ist es ein Zeugnis dafür, wie ein lutherischer Theologe, der zur frühen Aufklärung gehörte, die russische Kirche gesehen hat. Einerseits kritisiert er die ihm abergläubisch erscheinenden Praktiken orthodoxer Frömmigkeit, darunter auch Auswüchse in der Bilderverehrung. Andererseits beschreibt er das „Heiligthum“ mit großer Sympathie. Dabei leitet ihn nicht zuletzt ein erbauliches Interesse an der Darstellung des Heiligen, der für seinen Glauben gestorben ist.
Dieser Frage wollen wir nun nachgehen: Kann die Anbringung oder Ausstellung von Ikonen in einer evangelischen Kirche tatsächlich „die christlichen Gemüter“, wie Döderlein schreibt, erbauen?
Ikone Theodorus Stratelates (Ev.-Luth. Pfarrkirche Kalbensteinberg, Foto: wikimedia)
Das Vorbild der Heiligen
Was die Abbildung von Heiligen angeht, kann man auf das Augsburger Bekenntnis von 1530 verweisen — es findet sich auch im Evangelischen Gesangbuch (Nr. 808). Laut Artikel 21 sollen durchaus auch evangelische Christen der Heiligen gedenken. Es stärke den Glauben, „wenn wir sehen [!], wie ihnen Gnade widerfahren und auch wie ihnen durch den Glauben geholfen worden ist; außerdem soll man sich an ihren guten Werken ein Beispiel nehmen, ein jeder in seinem Beruf“. Eine Anrufung der Heiligen, damit sie Fürbitte einlegen, schließt das Augsburger Bekenntnis natürlich aus, es gibt aber bildlichen Heiligendarstellungen doch auch ein gutes Recht in einer evangelischen Kirche. Denn am Beispiel der Heiligen wäre zu „sehen“, wie sich christliches Leben unter den je verschiedenen Zeiten und Umständen gestaltet hat — und zwar unter der Gnade Gottes.
Das entspricht durchaus dem Sinn der ostkirchlichen Ikonenkunst: Die Bilder sind keine bloße Zierde. Die Darstellung von vorbildlichen Christen und die Szenen aus ihrem Leben tragen stets eine Beischrift: den Namen des Heiligen, oft auch kurze Angaben zu den am Rand abgebildeten Begebenheiten. Die Ikonen haben dem Gläubigen tatsächlich etwas „zu sagen“. Würde man sie nur zur Zierde oder aus kunstgeschichtlichem Interesse ausstellen, widerspräche das dem Sinn der Ikonen — wie auch dem Charakter eines evangelischen Kirchenraumes. Das heißt: Zur Ikone gehört die Lebensgeschichte des dargestellten Heiligen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Christuszeugen muss zur Betrachtung des Bildes hinzutreten, und zwar unter der Fragestellung, was er oder sie uns heutigen Christenmenschen noch zu sagen habe.
Die Ikonen und das alttestamentliche Bilderverbot
In der Reformationszeit war die Frage, ob Bilder einen Platz in einer Kirche haben dürfen, hoch umstritten. Die Entfernung von Bildern, die Bilderlosigkeit ist dabei zum Merkmal der „reformierten“, also calvinistischen Kirchen geworden, während die Lutheraner die Bilder bestehen ließen und auch neue bildliche Darstellungen angefertigt haben. Die Lutherische Pfarrkirche von Marburg ist dafür ein Beispiel. Sie wurde, nachdem der Landgraf von Hessen-Kassel die Bildnisse und Kreuze im Jahr 1605 mit Gewalt aus der Kirche entfernen ließ, seit 1624 erneut damit ausgestattet, als Marburg wieder lutherisch sein durfte.
Für die Reformierten fand sich ein naheliegendes Argument gegen die Bilder in der Bibel: Das zweite der Zehn Gebote verbietet die Bilder (2. Mose 20,4). Legt man reformierte und lutherische Katechismen nebeneinander, stellt man fest: Die Lutheraner haben dieses Zweite Gebot kühnerweise ausgelassen. Um dennoch auf die Zahl Zehn zu kommen, wurde dafür das letzte Gebot in zwei Gebote aufgeteilt.
In unserem Zusammenhang ist es auffällig, dass die Katechismen der Orthodoxie diesen Weg der Lutheraner gerade nicht beschritten haben. In ihrer Auflistung der Zehn Gebote steht das Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“ unverändert da. Und das, obwohl die Kirchen der Orthodoxen voll mit Bildern sind! Wie ist dieser Befund zu deuten?
Die Ostkirche pflegt eine Bildkunst, die sich einer Jahrhunderte langen theologischen Reflexion verdankt. Im oströmischen (byzantinischen) Reich waren die Bilder keineswegs unumstritten. Im 8. und 9. Jahrhundert tobte hier ein heftiger Streit um die Bilder. Mitunter waren es die Kaiser selbst, die nahezu alle Bilder in ihrem Reich vernichten ließen.
Der Streit nötigte zur Reflexion. Kann man einen unendlichen Gott in ein Bild bannen? Handelt es sich dabei nicht um den vorwitzigen Versuch des Geschöpfes, seinen Schöpfer einzugrenzen in einer irdischen Vorstellungswelt? Die Gottheit an sich ist aber immer unendlich größer als alles, was wir uns von ihr vorstellen können. Gilt diese Unmöglichkeit — so ist weiter zu fragen — dann nicht auch für Christus, den menschgewordenen Gottessohn? Hat Christus Teil an dieser „Unumschreibbarkeit“ Gottes?
Patriarch Germanos von Konstantinopel (717–730), ein Befürworter der Ikonen, gestand unumwunden zu, dass wir uns von der unsichtbaren Gottheit kein Bild machen können: „Denn selbst die hohen Chöre der Engel vermögen die Gottheit nicht völlig zu erkennen oder zu ergründen.“ Das alttestamentliche Bilderverbot hat in diesem Sinne seinen bleibenden Sinn und sein fortdauerndes Recht. Dann geht Germanos aber auf die Ikone Christi ein. Und hier macht er einen wesentlichen — heilsgeschichtlichen — Unterschied: „Nun hat aber der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ruht (Joh 1,18), da er sein eigenes Geschöpf aus dem Todesurteil zurückrufen wollte, nach dem Ratschluss des Vaters und des Hl. Geistes gnädig beschlossen, Mensch zu werden. Er hat an unserem Fleisch und Blut Anteil genommen, in allem uns gleich außer der Sünde, wie der große Apostel sagt (Hebr 4,15). Aus diesem Grunde stellen wir seine menschlichen Züge bildlich dar, so wie er als Mensch dem Fleische nach aussah, und nicht seiner unbegreiflichen und unsichtbaren Gottheit nach. Denn es drängt uns darzustellen, was unseres Glaubens ist, dass nämlich Christus nicht nur scheinbar, schattenhaft Mensch geworden ist, sondern wirklich und wahrhaft und in allem vollkommen.
Gottes Sichtbarkeit: in Jesus Christus
Für die Diskussionen in der orthodoxen Theologie war dies der entscheidende Gesichtspunkt, der auf dem VII. Ökumenischen Konzil von 787 den Ausschlag für die Bilder gab: Gott selber hat sich in Christus sichtbar gemacht und uns sein menschenfreundliches Angesicht gezeigt. Und diesen Glauben bringen wir zum Ausdruck, wenn wir Christus — hinsichtlich seines Menschseins — darstellen.
Unabhängig davon, ob der evangelische Christenmensch für sich die Bilder befürwortet oder ablehnt: Ist hier nicht doch ein wesentliches Stück des Christentums erkannt worden? Nämlich dies, dass wir nicht an einen abstrakten Gott glauben, sondern an Gott in Christus. Dass wir Gott nur deswegen erkennen, weil er sich uns zu erkennen gegeben hat — und zwar so, dass wir ihn auch wirklich erkennen können, eben weil er ein Mensch wie wir geworden ist.
Das Konzil von 787 unterscheidet streng zwischen der so verstandenen Ikone und den heidnischen Götzenbildern. Was besonders heidnisch wirkte, waren Skulpturen von Gottheiten. Die Ostkirche hat deswegen nie solche geschnitzten und gemeißelten Bildwerke zugelassen, sondern allein das gemalte oder mosaizierte, zweidimensionale Bild für angemessen gehalten.
Auch die Verehrung der Bilder, die Protestanten bei orthodoxen Gläubigen ja besonders fremd anmutet, wird in der Entscheidung des Konzils theologisch reflektiert. Die verehrenden Gesten werden nämlich streng von der Anbetung unterschieden, die allein Gott zukommt. Ferner sollen sich die Verehrungsgesten natürlich nicht auf Farbe, Leinwand oder Mosaiksteinchen beziehen, sondern in einem übertragenen Sinn auf die dargestellten Personen, also Christus, seine Mutter, die Engel und die Heiligen: „Je öfters wir nämlich diese durch die Bilder betrachten, desto mehr werden wir uns durch das Sehen der Bilder an die Urbilder erinnern und sie lieben, und sie küssen und verehren, freilich nicht mit jener Anbetung, die nach unserem Glauben allein der göttlichen Natur gebührt.“
Dazu Karl Christian Felmy, der langjährige Professor für Geschichte und Lehre des christlichen Ostens an der evangelisch-theologischen Fakultät in Erlangen. Sein Buch über die Christus-Ikonen (Freiburg 2004) leitet er mit folgender Beobachtung ein:
„In einer Seminarübung über die Theologie der Ikone habe ich die Studentinnen und Studenten aufgefordert, ein Gottesbild zu malen oder, falls ihnen dies aus irgendeinem Grunde schwer fiele, festzuhalten, warum es ihnen nicht möglich sei oder, wie sie es anstellen würden, wenn sie dazu imstande wären. Das Ergebnis war bei mehrfachen Versuchen ähnlich. Die meisten Studenten gingen mit Eifer an die Sache, malten Dreiecke, Kreise und Linien, die sie dann tiefsinnig interpretierten. Es gab aber auch orthodoxe Seminarteilnehmer. Sie zögerten zwar mehrheitlich, selbst zum Zeichenstift zu greifen, erklärten aber übereinstimmend, das Christusbild sei die einzige Möglichkeit der Gottes-Darstellung.
Ikone Christus Pantokrator (Michai Coman, Ukraine 2017)
Eine bibelbezogene Kunst
Man sieht, dass die Ikonentheologie bis heute ihre Spuren im Bewusstsein orthodoxer Christen hinterlassen hat. Damit hängt eine strenge Auswahl von Motiven zusammen, die für eine Ikone in Frage kommen. Denn das Prinzip, das hinter der Theologie von der Menschwerdung Christi steht, lautet ja: Von Gott lässt sich nur darstellen, was er uns von sich gezeigt hat, oder: was Menschen einmal haben sehen dürfen. Damit ist die Ikonenkunst im Grunde genommen eine streng biblische Kunst. Dargestellt wird, was Menschen nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift auch wirklich gesehen haben.
Aus diesem Grunde kann es kein direktes Bild von Gott dem Vater geben, denn der Vater hat sich als solcher nirgends in der Heiligen Schrift sehen lassen. Hier liegt ein bemerkenswerter Unterschied zur westlichen Kunst mit ihren bartrauschenden Gottvater-Darstellungen vor! Im Christlichen Osten kann die Heilige Dreifaltigkeit nur in biblischen Szenen abgebildet werden. Da ist zum einen die Taufe Christi: Hier zeigt die Ikone in genauem Anschluss an die Bibel Jesus im Jordan, über ihm die Taube des Heiligen Geistes, und am oberen Bildrand eine Wolke, die für das unsichtbare Wesen des Vaters steht, der spricht: „Dieser ist mein Sohn“. Der Heilige Geist kann nur deswegen als Taube gemalt werden, weil er sich so (symbolisch verschlüsselt) zu erkennen gegeben hat. Unorthodox ist es deswegen, die Figur der Taube aus dem Bildzusammenhang der Taufe Christi zu lösen und die Taube nun an allen möglichen anderen Orten, etwa unter dem Schalldeckel einer Kanzel, als Bild des Heiligen Geistes anzubringen. Für die östliche Bildtradition hat die Taube dagegen einzig im Rahmen der Taufszene ihren legitimen Ort.
Eine andere Weise, die Dreifaltigkeit darzustellen, ist sodann der Besuch der drei Männer bzw. Engel bei Abraham und Sara im Hain von Mamre, wie er in 1. Mose 18 erzählt wird. Die Auslegung der Kirchenväter hat in der Dreizahl dieser Gestalten einen verborgenen Hinweis auf das Geheimnis der Trinität gesehen. Wo diese drei Engel gemalt wurden, handelt es sich immer um eine Darstellung der biblischen Szene. Wo die drei Engel allein erscheinen und die bewirtenden Abraham und Sara fehlen, haben die Künstler dem Sinn der Ikonenmalerei nicht entsprochen. Nun gibt es allerdings solche Ikonen und auch zahlreiche andere Gegenbeispiele zu meiner These, die Ikonenkunst sei zutiefst biblisch. Es gibt z.B. große Mengen russischer Ikonen aus dem 19. Jahrhundert, die in ganz westlicher Manier Gott den Vater zeigen, der als Greis mit schlohweißem Bart aus dem Himmel schaut. Die Ikonenkunst hat kein isoliertes Dasein geführt und ist von den Motiven der westlichen Kunst mitunter beeinflusst worden. Doch hat gerade das 20. Jahrhundert zu einer Rückbesinnung auf die Wurzeln der orthodoxen Malerei und ihre theologischen Grundentscheidungen geführt. Es sind Grundentscheidungen, die es gerade evangelischen Christen leichter machen, in den Ikonen einer zwar kulturell fremden, religiös aber durchaus verständlichen Welt zu begegnen.
Die Ikonen und das Gebet
Die Ikonen haben die Funktion, Zeichen der Gegenwart Gottes zu sein, bildliche Vergegenwärtigung der Tatsache, dass Gott sich uns zu erkennen gegeben hat und uns gnädig als Du gegenübertritt. Ikonen mit dem Angesicht Christi geben also nicht Kunde von einem Menschen aus längst vergangenen Tagen, sondern sind Zeichen der Begegnung. Dies hebt die schöne geistliche Auslegung des anglikanischen Theologen Rowan Williams hervor: „Gott zeigt sich uns in diesem Gesicht nicht wie ein Objekt, vor uns aufgebaut, damit wir es inspizieren; nein, dieses Gesicht zeigt uns Gott, indem es uns mitnimmt auf eine Reise zur Entdeckung der zwischen uns und Jesus geschaffenen Beziehungen… Wenn wir uns im Nachdenken und Beten auf diese Bilder einlassen, dann wird uns der Weg gezeigt dorthin, wo das Licht wohnt: tiefer in allem, als wir je kommen können, und weit jenseits von allem, weiter als was wir je erreichen können — und doch: hier einfach vor unseren Augen, im Angesicht Jesu, das uns anblickt.“
Von Prof. Dr. Karl Pinggéra
(aus: Kirche in Marburg 03/2019)
Prof. Dr. Karl Pinggéra lehrt Kirchengeschichte am Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg. Seine Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Ostkirchengeschichte und der Orientalischen Kirchengeschichte. Zurzeit ist er Vorsitzender der Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens.
Suche Frieden und jage ihm nach!
Psalm 34,15
(Stalingradmadonna — Holzkohlezeichnung auf der Rückseite einer russischen Landkarte, 105x80 cm / Kurt Reuber, Weihnachten 1942)
Petrus war unten im Hof. Da kam eine von den Mägden des Hohenpriesters; und als sie Petrus sah, wie er sich wärmte, schaute sie ihn an und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus von Nazareth. Er leugnete aber und sprach: Ich weiß nicht und verstehe nicht, was du sagst. Und er ging hinaus in den Vorhof, und der Hahn krähte.
Und die Magd sah ihn und fing abermals an, denen zu sagen, die dabeistanden: Dieser ist einer von denen. Und er leugnete abermals.
Und nach einer kleinen Weile sprachen die, die dabeistanden, abermals zu Petrus: Wahrhaftig, du bist einer von denen; denn du bist auch ein Galiläer. Er aber fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr redet. Und alsbald krähte der Hahn zum zweiten Mal. Da gedachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er fing an zu weinen.
Er war zweifellos der Pfarrer, der die Kirchengemeinde im 20. Jahrhundert am stärksten geprägt hat: Unter seiner Leitung wurde der Innenraum der Universitätskirche 1927 so umgestaltet, dass die Feier des Gottesdienstes wieder Auge, Ohr und Herz ansprechen, Leib und Seele berühren konnte. Ritter war ein Mitbegründer der Evangelischen Michaelsbruderschaft und der Ökumenischen und Liturgischen Bewegung im Bereich der evangelischen Kirche. In den Jahren 1933 und 1934 führte er den Widerstand der hessischen Pfarrer gegen die Machtergreifung der Nationalsozialisten in der Kirche an; er geriet auch darum mehrmals in Haft und wurde bedroht. Ritter hat die ‚Bekennende Kirche’ an der Seite von Martin Niemöller mitbegründet. Nach dem Krieg verantwortete er als Dekan die Vereinigung der bis dahin konfessionell getrennten Marburger evangelischen Kirchengemeinden. In der Feier der Eucharistie nach der bis in die Alte Kirche zurückgehenden Form der „Evangelischen Messe” erblickte Ritter die eigentliche spirituelle Quelle für den christlichen Glauben und das Leben der Kirche. Vor 50 Jahren, am 15. August 1968, ist Karl Bernhard Ritter gestorben.
(Foto aus: Kirche und Wirklichkeit, hg. von Christian Zippert, Kassel 1971)